Verfasst von Moni am 19/06/17
Ihr kennt das: von Zeit zu Zeit laufen einem Leute über den Weg, die so charismatisch sind, dass man nur zu einer Sache fähig ist: sich das Ticket für das Primavera Sound 2017 kaufen, und zu Gott, Buddha oder Harrison Ford beten (je nach Gusto und Glauben), dass sich das Objekt der Begierde (und man selbst!) weder Arme, Beine noch Hals bricht, bevor es Samstag, der 3. Juni 2017 19:15 Uhr ist. Und dann in der dritten Reihe stehen (alles andere sieht so needy aus) und sich einfach nur freuen.
Und zwar über: ein mitreißendes Hip-Hop-Konzert, zwei reflektierte und unglaublich kreative Frontmänner (Riz MC und Heems), einen innovativen Produzenten (Redinho) und wichtige Botschaften.
Die Swet Shop Boys fanden sich im Jahr 2014 zusammen und veröffentlichten die erste EP „Swet Shop“. 2016 folgte das erste Album „Cashmere“, 2017 die EP „Sufi La“.
Riz Ahmed aka Riz MC, der nicht nur seit 2006 solo als Rapper aktiv ist (sein „Post 9/11 Blues“ wurde in Großbritannien von den Playlists der Radiostationen gestrichen, weil der Text zu „politically sensitive“ war), sondern sich gerade stetig als Schauspieler zu Hollywoods neuestem Darling mausert (siehe unter anderem „Nightcrawler“, die großartige HBO-Serie „The Night Of“ und „Rogue One: A Star Wars Story“) und Himanshu Kumar Suri aka Heems, ehemals Mitglied der innovativen Rap-Gruppe „Das Racist“ aus New York, jetzt bei einer Werbeagentur angestellt, ergänzen sich auf der Bühne wunderbar.
Während Heems sich in dickstem Ami-Akzent durch die Lyrics schleppt, rast der Londoner Riz MC durch die Songs und setzt die nötigen Akzente. Ach ja: singen kann er auch noch.
Die Texte der Swet Shop Boys sind politisch, intelligent, selbstironisch und immer tagesaktuell. Als in den USA der Einreisestopp verhängt wurde, standen in Los Angeles die Protestierenden vor dem Flughafen und skandierten den Refrain des Swet-Shop-Boys-Stücks „T5“: „Inshalla, mashalla, hopefully no martial law“. (Hier könnt ihr dazu mehr lesen.)
In Barcelona gelingt es der Gruppe auf jeden Fall nicht nur die politische Botschaft zu vermitteln, sondern auch das Publikum zu unterhalten. Der Party-Track „Tiger Hologram“ tritt auch dem letzten kopfnickenden Bierbecherhalter in den Hintern. Vor allem die Engländer in den ersten zwei Reihen sind außer Rand und Band.
Dort ist Riz Ahmed inzwischen ein wichtiger Sprecher der jungen muslimischen Community geworden. Vor kurzem durfte er über deren Situation im House of Commons reden.
Ein Moment der Primavera-Show bleibt besonders im Gedächtnis: Riz Ahmed zitiert die Lyrics seines Solo-Songs „Sour Times“ und das Publikum ist bei ihm, erst restlos gefesselt und dann laut zustimmend. Er beschreibt die Situation, der junge Muslime zurzeit ausgesetzt sind und warum der IS überhaupt verzweifelte junge Männer und Frauen rekrutieren kann. „Please allow me to vouch for mine, bitter taste in my mouth spit it out with a rhyme, I’m losing my religion to tomorrow’s headlines“. Was für großartige, lustige, emotionale, wichtige 45 Minuten.
Ein paar Stunden später erreichen auch das Festival die Neuigkeiten über den Anschlag in London. Nie waren die mitreißenden, klugen Swet Shop Boys wichtiger und relevanter als jetzt.
Zum Nachschauen und Fan werden: