Bondage Fairies: "in Zukunft werden wir mehr mit Kondom-Sounds arbeiten."

Verfasst von Pati am 18/02/18

Punk ist musikalischer Dadaismus. Computersounds sind postmoderne Geräusche. Die Bondage Fairies machen postmodernen Dada-Punk. Ein ernsthaftes Interview ist mit ihnen nicht möglich. Sie tragen Masken. Die Kamera streikt. Wir trinken Bier. Wir reden. Wir lachen. Nichts ergibt Sinn. Wir haben eine geile Zeit.

 

Als wir am Feierwerk ankommen, wissen wir erst nicht wohin. Im Sunny Red waren wir nie. Das ist das traditionelle Punk-Venue. Ich rufe Elvis Creep von der Band an. Er weiß auch nicht, wie wir zu ihnen kommen. Aber eine deutsche Mitarbeiterin vom Veranstaltungsort lotst mich, während wir den richtigen Weg bereits intuitiv gefunden haben. Als wir reinkommen, begrüßen uns vier sympathische Jungs. Oder eher Männer, denn das Erste, was sie sagen ist: „Ihr habt ein Webzine, oder? Wir haben mit jüngeren Leuten gerechnet. Endlich mal wieder welche in unserem Alter.“ Ich sage, dass ich ebenfalls erfreut bin, es mal nicht mit Jungs zu tun zu haben, die meine Söhne sein könnten. Das Eis ist gebrochen.

 

Beim Fußweg in den Backstage-Bereich versuche ich zusammen mit Elvis herauszufinden, wann ich sie das erste und letzte Mal auf der Bühne gesehen habe. Ich weiß, es war im 59:1, das es lange nicht mehr gibt. Aber vor fünf oder vor zehn Jahren? Ich bin fest davon überzeugt, dass es erst fünf Jahre her ist, aber viel später fällt mir auf, dass das gar nicht sein kann. Nein, es war zur Zeit ihres zweiten Albums „Cheap Italian Wine“ und das ist 2009 erschienen. Verdammt lang her.

 

Als ich die Kamera aufbaue, wird uns sofort ein Bier angeboten. Welch ein Service! Passiert heute nicht mehr allzu oft (s. Interviews mit so ziemlich jeder anderen, jüngeren Band). Leider kann ich es nicht so genießen, wie ich es gerne würde: Keine Speicherkarte. Und wegen verstellter Einstellungen kann man auf dem Display fast nichts erkennen. Ist ’ne Leihgabe. Dumm gelaufen. Egal, wird’s eben nur Audio. Und die Jungs müssen auch nicht so lange unter ihren Masken/ Helmen schwitzen. Und sind so wahrscheinlich gesprächiger.

 

Bevor ich näher darauf eingehe, was bei unserem lustigen Frage-und-Antwort-Spiel so rausgekommen ist, noch ein paar Infos zur Band, die alles etwas besser einzuordnen helfen. Die Bondage Fairies bestehen aus den Gründungsmitgliedern Elvis Creep (Gesang, Synthesizer) und Deus Deceptor (Bass, Synthesizer) und den 2011 hinzugekommenen Bee Bee Prime (Gitarre) und Drummer Boy (Schlagzeug). Auf der Bühne tragen alle Masken bzw. selbst umgestaltete Motorradhelme mit LED-Applikationen oder Totenkopf-Details. Drummer Boy hat als Einziger ein quasi-menschliches Gesicht, das aber eher an Leatherface erinnert und gruseliger ist, als jede Scream-Maske. Ihre Musik verbindet Punk- und Alternative-Elemente mit 8-Bit-Sounds des C64. Die Texte erinnern an dadaistische Lyrik: „Spawned from the carcass of a chewing gum, Natural born pink horror toxic scavenger from Mars.“ („Levenus Supremus“, 2006)

 

Für das, was folgt, übernimmt CWLM keine Verantwortung. Wir sind dieses Interview mit ernsthafter, journalistischer Ethik angegangen und hatten am Ende so viel Spaß wie lange nicht mehr.

 

Ok,  Mikro läuft.

Drummer Boy: Haltet das Mikro auf!

 

Was waren eure ersten Erfahrungen mit Computern?

Elvis Creep: Mein Cousin hatte einen Commodore 64. Das war vor 500 Jahren. Manchmal ließ er uns auch spielen, aber meistens haben mein jüngerer Cousin und ich ihm nur zugesehen. In den 80ern herrschte noch eine andere Hierarchie. 

Deus Deceptor: Über die Jahre haben wir alle so schlechte Erfahrungen mit Computern gemacht, dass ich nicht mehr weiß, wie ich wieder ein positives Verhältnis zu ihnen aufbauen kann. Wenn man das Betriebssystem updated... 

 

...geht nichts mehr. 

DD: Ja, genau. Also, falls jemand Tipps hat...

DB: Vielleicht hat Apple Tipps.

DD: Apple ist hauptsächlich für die Probleme verantwortlich!

DB: Mich interessiert eher, wie eine Dampfmaschine funktioniert.

DD: Alles, was funktioniert, ist gut.

 

Was fasziniert euch an Computersounds?

DB: Nichts. Sie sind für uns etwas Natürliches, weil es sie schon so lange gibt wie uns. 

EC: Alte Computer klingen einfach gut. Wie alte Synthesizer. Sie haben einen  sentimentalen Wert. Entweder, weil man in der Zeit aufgewachsen ist, oder weil man gerne in der Zeit aufgewachsen wäre.

 

Wieso habt ihr angefangen, sie in eurer Musik zu verwenden?

EC: Weil ich kein Instrument spielen konnte, außer ein wenig Gitarre und auch das nicht richtig. Aber mit einem Computer und einem richtig schlechten Programm konnte ich Songs machen. Sie bilden also eine wichtige Grundlage.

 

Im Deutschen würden wir sagen, du hast aus einer Not eine Tugend gemacht. 

 

Das führt zu einem wilden Vergleich von Sprichwörtern, wie dem schwedischen Pendant: „Aus einem Nagel eine Suppe kochen.“  Als wir bei „Wenn man ein Schwein rasiert, bekommt man mehr Schreie als Haare“ landen, muss ich das Gespräch mal wieder in geordnetere Bahnen lenken. 

 

Könnt ihr euch vorstellen, dass ihr mal einen komplett neuen Sound ausprobiert?

EC: Nein. 

Bee Bee Prime: Vielleicht.

EC: Ich mache die Songs, also entscheide ich. Aber in Zukunft werden wir mehr mit Kondom-Sounds arbeiten. Wir ziehen sie lang und spielen auf ihnen.

 

...fast wie bei einer Maultrommel.

EC: Oder einer mit dem Mund gespielten Dub-Step-Maschine.

DD: Beim letzten Album haben wir viele verschiedene Sounds ausprobiert. Da war alles dabei: von echt schlechten Sounds bis zu den besten, die man sich vorstellen kann. Jetzt, wo wir wissen, wie sich was anhört, werden wir viel mit unseren neuen Freunden experimentieren. Und Elvis hat so viel mehr Erfahrung im Mixing, dass wir jetzt alles allein machen. So was wie Craft Music.

 

Vorher hatten wir uns über Craft Beer unterhalten. Drummer Boy meinte, viele Craft-Brauereien in Schweden hätten es nicht geschafft, weil die Bürokratie ihnen das Kreuz gebrochen hat. 

 

Aber ihr müsst nicht so viele Anträge stellen.

DB: Doch, das müssen wir leider auch.

DD: Hygienische Behörde.

 

Was für ein technisches Gerät hättet ihr gerne, das bisher noch nicht erfunden wurde?

EC: Laser Gun.

DD: Hover Car.

DB: Intelligenz. Künstliche Intelligenz.

 

Aber die gibt’s schon.

DB: Zellen, die organische Energie produzieren. Dann hätte man anstelle eines Herzens eine Batterie. Bionische Menschen sind sehr interessant.

 

Ihr habt viele Fans in Osteuropa. Wie unterschieden sich die Shows oder das Publikum von Westeuropa?

EC: Sie sind jünger und es kommen mehr. Und sie sind verrückter.

DD: Und sie sprechen nicht fließend Deutsch.

BBP: Oder Englisch. Sie sprechen Russisch.

 

Wie interagiert ihr mit ihnen?

DB: Sie rufen uns Wörter wie (hier sagt er ein paar auf Russich) zu und wenn man nachschaut, was sie bedeuten, findet man Schwanz oder Arsch. Wir wissen nicht, ob das gut oder schlecht ist.

 

Sind bestimmt nur Kosewörter.

EC: In Deutsch bedeutet geil ja auch toll oder sexuell erregt zu sein.

DD: Wir können schon interagieren, aber hauptsächlich telepathisch oder körperlich.

 

In den 2000er Jahren gab es viele international erfolgreiche schwedische Bands. Aber im Moment kommt da nicht viel nach. Woran liegt das?

EC: Ich sage immer: Been there, done that.

 

Das Publikum oder die Bands?

EC: Schweden hat die Nase voll davon, immer gute Bands nach Deutschland zu schicken. 

 

Aber wir mögen sie doch! Na gut, nächste Frage: In welcher Ära würdet ihr gerne leben?

BBP: 400 nach Christus.

EC: Weil du dahin passen würdest, wie die Faust aufs Auge! 

 

Alle lachen. Bee Bee Prime sieht mit seinem rotblonden, langen Haar und dem Bart in derselben Farbe zwar eher aus wie ein Wikinger, aber in einer nachchristlichen Kluft mit Sandalen könnte ich ihn mir auch gut vorstellen.

 

DB: Im Jahr 0. Dann würde ich nämlich Jesus tyrannisieren und damit in die Geschichte eingehen.

 

Es lagen fünf Jahre zwischen eurem aktuellen und dem letzten Album. Warum so lange?

EC: Warum so kurz? Zeit ist unwichtig.

DB: Ein guter Wein muss auch altern.

DD: Wir haben mehr von unseren Hörern erwartet.

DB: Wir mussten viel härter arbeiten, weil wir dachten, es wäre nicht gut genug, und alles noch mal komplett neu machen. Wir haben auch viel an uns selbst gearbeitet. Und unsere normalen Jobs als Gehirnchirurgen haben uns sehr gefordert. Da ist kein Raum für Fehler. 

 

Stimmt, bei einem Konzert kann niemand sterben. Na gut, das kann schon passieren, aber das wäre nicht eure Schuld.

DB: Pearl Jam haben mal 13 Leute umgebracht.

 

Habt ihr die kompletten fünf Jahre an dem neuen Material gearbeitet oder euch mal Zeit für euch genommen?

BBP: Wir haben viel trainiert.

 

Für die nächsten Shows?

BBP: Nein, nur um die Leute in den Fitnessstudios zu beobachten.

DB: Man muss stark sein.

BBP: Auch psychisch. Daran haben wir auch gearbeitet.

DB: In unserer besten Phase haben DD und ich ausgesehen wie Bruce Lee.

 

Hm, würde man jetzt nicht mehr denken... Was ist passiert?

DD: Die Pizza wurde erfunden.

EC: Außerdem waren wir viel Shoppen.

DD: Der Kapitalismus hat alles zerstört. Ich habe so viel Zeug gekauft, dass ich ein einigermaßen gutes Leben führen könnte, wenn ich die Hälfte davon verkaufen würde.

BBP: Wir haben auch viel geputzt.

DB: Dass alles vorzeigbar ist. Wir haben unsere Hände mit Alkohol eingerieben, damit wir nicht krank werden.

 

Dann wart ihr ja ganz schön beschäftigt... In ein paar eurer Lieder verwendet ihr deutsche Wörter. 

 

Zitat aus „Äppeltysken“, das sich liest wie aus der Kategorie misheard lyrics: „Guten Tag! Entzückt? Und stapeln gediegen Jungen schlaffen Appel deutschen machen. Der Wurst und der Käse!“

 

Was ist euer liebster deutscher Satz?

EC: „Du stinkst aus dem Gesicht“ oder „Ich liebe deinen großen Schwanz“.

 

Gibt es Situationen, in denen du die auch benutzten kannst?

EC: Jeden Tag, besonders auf der Autobahn. Ich mag auch: „Finger weg.“

DB: Deutschland muss weg.

DD: Ja, das ist wahrscheinlich unser Motto.

EC: Nein, das dürfen wir gar nicht sagen. Aber viele Bands, die bei unserem Label sind (dem deutschen Independent-Label Audiolith Records, Anm. d. Red.), haben ein Problem mit Deutschland.

DD: Weil sie aus Deutschland sind.

EC: Wenn er zu mir kommt und sagt: „Deine Schwester ist echt doof“, dann sage ich ja auch nicht: „Ja, das ist sie.“ Sondern ich verteidige sie.

 

Stimmt, man selbst darf sein Land hassen, aber niemand anderes darf es.

EC: Deswegen hassen wir Deutschland auch nicht, sondern wir leiben es.

 

Mit Liebe sind wir auch schon bei unserer letzten Frage: Unsere Website heißt Cause We Love Music. Warum liebt ihr Musik?

DD: Wer hat dir denn gesagt, dass wir Musik lieben?

 

Ich Dummerchen bin einfach davon ausgegangen...

EC: Ich liebe Musik, weil sie Geräusche erzeugt.

DD: Ich liebe Musik, weil sie aus Geräuschen besteht.

DB: Ein Mensch kann so (klopft sich mit der Hand aufs Knie) Geräusche erzeugen und in dem Einzigen, auf das wir keinen Einfluss haben, der Zeit, Räume erschaffen. Er kann sie in gleichmäßige Teile einteilen, die dann als Masse in unsere Ohren dringen und uns etwas fühlen lassen. Das ist Magie.

BBP: Es ist eine gute Art, Deutschland kennenzulernen.

 

Das Sunny Red ist pickepackevoll und ganz hinten an der Wand können wir fast nichts sehen. Deswegen sind die Fotos auch mal eher dadaistisch oder eben Punk! Aber die Musik reißt uns genau wie alle anderen im Raum so mit, dass kein Halten ist. Auch wenn das Jahr noch jung ist, hat dieser Gig eine gute Chance, im Dezember unter die Top 5 der besten Konzerte 2018 zu kommen. Und das Interview wird von Platz 1 fast unmöglich zu verdrängen sein!

 

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