Verfasst von Pati am 04/05/17
Es soll Frühling sein. Das sagen der Kalender und die Meteorologen. Doch ich kann das nicht ganz glauben, denn unter den Regen mischen sich dicke Schneeflocken und ich musste meinen Winterparka noch mal ausmotten. Vielleicht hat die Band, mit der ich gleich ein Interview machen werde, extra dieses Wetter mitgebracht: Cigarettes After Sex.
Passen würd’s. Denn in ihren Songs wird Melancholie großgeschrieben und es ist immer eine gewisse Sehnsucht zu spüren. Sehnsucht nach wärmenden Sonnenstrahlen vielleicht? Das ist eine Frage, die mich brennend interessiert, und die ich Gelegenheit hatte, Sänger und Mastermind Greg Gonzales zu stellen.
Das Wetter passt gut zu deiner Musik.
(lacht) Ja, genau. Schön bedrückend.
Bist du persönlich mehr der fröhliche Sonnenanbeter oder der melancholische Regensuhler?
Ich bin da ganz entspannt und mag eigentlich beides ganz gern. Wenn es jeden Tag so wär, fänd ich das nicht grad gut, aber ab und an find ich das ganz schön. Um die Frage zu beantworten: Ich mag die Abwechslung. Ich mag es, wenn es warm ist, wenn es schneit, eben das gesamte Spektrum.
Euer Bandname und eure Musik erinnern mich an französische Nouvelle-Vague-Filme.
Oh, das ist toll!
Inspiriert dich diese Ära?
Ja, auf jeden Fall. Éric Rohmer ist einer meiner Lieblingsregisseure und der Film „Jules und Jim“ von Truffaut hat mich sehr beeinflusst. Aber auch andere Regisseure wie Goddard. Diese Filme verkörpern eine bestimmte Art von Romantik, haben aber auch was Rebellisches, wie unser Name Cigarettes After Sex. Wenn du dir unsere Texte genauer anhörst, wirst du bemerken, dass sie versuchen, die Grenzen dessen auszureizen, was man in der Musik gewohnt ist. Besonders das bevorstehende Album hat einen gewissen Humor, den man in der Musik nicht so oft findet, aber es ist trotzdem noch bittersüß.
Eure erste EP kam 2012 raus, euer Debütalbum wird erst dieses Jahr im Juni veröffentlicht. Da liegt ganz schön viel Zeit dazwischen. Warum hat das so lange gedauert?
Die EP war nicht wirklich erfolgreich. Ein Jahr später bin ich nach New York gezogen und hab mir Zeit genommen, mich da einzurichten und Leute kennenzulernen. Deswegen ist so lange nichts passiert. Ich hab zwar versucht, zwischendurch auch noch Musik zu machen, hatte aber das Gefühl, dass nichts davon wirklich gut genug war. Die EP war wesentlich besser, als was ich danach gemacht habe. Bis 2015 kannte sie niemand. Es war echt komisch, dass wir mit einer Scheibe getourt sind, die drei Jahre alt war.
Kannst du dir erklären, warum die Leute jetzt plötzlich eure Musik bemerken? Es gibt sie bereits seit fünf Jahren, aber jetzt schlägt sie so richtig ein. Ich meine, ihr spielt schon in mittelgroßen Hallen.
Wir hatten schon eine kleine Fangemeinde. Ich hab E-Mails von Fans bekommen, die mir schrieben, dass die Musik ihnen in schweren Zeiten echt geholfen hat. Sie waren teilweise richtig enthusiastisch. Das hat uns genug Aufmerksamkeit verschafft, dass es plötzlich etwas losgetreten hat, als wir dann „Affection“ rausgebracht, unsere Facebook-Seite gelauncht und unseren Youtube-Kanal eingerichtet haben. Der Song hat sich wie ein Lauffeuer im Internet verbreitet. Trotzdem ist das alles noch wie ein Rätsel für uns, das wir uns nicht ganz erklären können. Als ich noch in El Paso gewohnt hab, war ich so abgeschnitten von allem und besonders von potentiellen Hörern. In New York sind wir dann mal in dem coolen Club Baby’s All Right aufgetreten, wo tolle Bands wie Savages oder Beach House spielen. Da sind dann wohl ein paar Leute auf uns aufmerksam geworden. Es sind einfach viele kleine Dinge zusammengekommen. Aber der Umzug nach New York war sicherlich eins der wichtigsten.
Du hast euren Youtube-Kanal erwähnt. Mir ist aufgefallen, dass ihr gar keine Videos zu den Songs habt. Man sieht immer nur das Cover. Wie kommt’s?
Am Anfang hab ich mal versucht, ein Video zu machen, aber irgendwie hat mir nichts so richtig gefallen. Ich brauchte jemanden, der mir hilft. Ich liebe Filme, aber damals hatte ich noch keine Ahnung von Regie. Die Videos haben aber auch nur mit dem Cover gut funktioniert, deswegen sind wir dabei geblieben. Es gab keinen Grund, das zu ändern. Ich liebe Videos, aber bisher genügt uns das. Viele Bands machen ziemlich nichtssagende Clips, die mir nicht gefallen. Wahrscheinlich werde ich irgendwann auch mal ein Musikvideo machen, aber dann genau nach unseren Vorstellungen und mit einem anderen Ansatz.
Manchmal beeinflusst ein Video ja auch, wie man einen Song wahrnimmt.
Genau. Ich bin der Meinung, dass ein Lied generell kein Video braucht, aber irgendwie ist das mittlerweile fast wie ein Muss. Es gibt Videos, die ich absolut liebe, wie die zu „Sledgehammer“ von Peter Gabriel oder „Take On Me“ von A-HA. Die sind fantastisch. Aber eigentlich ist es nicht notwendig. Der Song allein ist stark genug und sollte bei dir eigene Bilder auslösen. Im Moment sind wir noch nicht so weit, aber wir werden es im Hinterkopf behalten. Für die LP wird’s aber noch keine geben.
Die LP ist ein schöner Übergang zu meiner nächsten Frage: Bisher sind eure Songs eher langsam und ruhig. Wird das Album auch so sein oder habt ihr auch schnellere Sachen dabei?
Ich persönlich mag Alben, auf denen nur eine Stimmung vorherrscht und die man sich anhört, wenn man sich genau in diese versetzen will. Zu dem Album soll man greifen, wenn man etwas ganz Bestimmtes sucht. Da wird es nicht viel Abwechslung geben. Alle meine Lieblings-LPs funktionieren so. Es wird so klingen wie „Affection“ und „Apocalypse“. Natürlich nicht genau so, wir wollen ja auch nicht, dass es langweilig klingt. Aber es wird diese Stimmung transportieren.
Du hast mal gesagt, dass du Alben voller Romantik machen möchtest. Die Romantik war ja auch eine kulturhistorische Epoche, in der sich die Künstler von alten Idealen wie der klassischen Antike abgewendet haben. Wie steht’s mit deinen Einflüssen? Versuchst du dich nicht zu sehr von anderen Künstlern beeinflussen zu lassen?
Nein, bei mir ist das total anders. Ich bin süchtig nach Musik, Filmen und Literatur. Ich muss alles aufsaugen, was es gibt. Meine besten Sachen sind alle aus einer Liebe zu anderen Künstlern entstanden. Ich glaube, Renoir hat mal gesagt, dass er nur kopiert, was er liebt. So geht’s mir auch. Ich lasse mich von allem möglichen inspirieren.
Also bist du nach der klassischen Definition nicht wirklich ein Romantiker. Aber nach der, die heute verbreitet ist, schon. Denn heute verbinden wir ja mit Romantik eine gewisse Sehnsucht. Die ist in euren Songs total greifbar. Wonach sehnst du dich?
Nach perfekten Momenten, wie man sie zum Beispiel in Beziehungen erleben kann, die einen auf einen bestimmten Weg im Leben bringen. Alle Lieder auf dem Album und auch die, die ich vorher geschrieben habe, basieren auf solchen Momenten, die ich mit einer bestimmten Person erlebt habe, in denen wir zutiefst verliebt waren. Solche Momente gibt es nicht oft. In dieser Hinsicht bin ich ein Romantiker, weil ich an solche Momente glaube und diese mich prägen. Ich suche immer nach ihnen, man weiß nie, wann wieder einer kommt. Ich glaube nicht an die eine große Liebe, sondern dass es viele verschiedene gibt.
Eure Musik ist ja auch ziemlich nostalgisch. Aber Nostalgie schaut immer zurück, nie nach vorne, und lässt selten Raum für Fortschritt. (Greg lacht) Wo wird euch eure musikalische Reise also noch hinführen?
Das ist eine wirklich gute Frage... Sie hat mich schon an Orte geführt, von denen ich es nie erwartet hätte. Ich wollte immer schon die Welt bereisen. Ich will einfach nur weiter gute Musik machen, Songs schreiben, die Menschen helfen und immer relevant bleiben. Ich höre zum Beispiel gerne Mozart und Chopin. Ihre Musik hat bis heute überdauert und ist zeitlos. Da möchte ich auch mal hin.
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