Cosmo Sheldrake: "Das Wichtigste ist, den Gedanken Freiraum zu geben."

Verfasst von Tobi am 30/10/18

Cosmo, du hast dieses Jahr einen Remix vom Song „In Berlin“ der Londoner Band Deep Throat Choir veröffentlicht. Warum Berlin – und nicht etwa München? 

Der Grund, war hier nicht die Stadt, sondern dass mir der Song gefallen hat. Ich bin befreundet mit der Band und sie haben mir ihr Album geschickt. Der Song war dabei der einzige, bei dem ich so wirklich vorangekommen bin. Berlin ist fantastisch, auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich hier leben wollen würde. Aber die Stadt ist definitiv entspannter als London. London ist da bedeutend hektischer. Das liegt auch an der Alternativkultur in Berlin. Die gibt’s in London natürlich auch, ist aber viel isolierter. In Berlin begegnet sie dir irgendwie überall. Ich hab aber auch noch nicht so viel Zeit hier verbracht, um’s mit absoluter Sicherheit zu sagen. Und ich bin mir sicher, es würde auch viele gute Gründe für einen Song über München geben (lacht).

 

Ausgehend vom Remix des Deep Throat Choir Songs: Wie schaffst du es denn allgemein, deiner Kreativität auf die Sprünge zu helfen?

Puh, das ist ‘ne gute Frage. Wenn du merkst, du kommst mit irgendwas nicht weiter: Versuch es nicht zu erzwingen. Es muss ein Stück weit von alleine passieren. Das zu verinnerlichen und auch umzusetzen, ist jedoch wirklich schwer. Manchmal geh ich dann einfach spazieren, lese was oder höre Musik. Das Wichtigste ist rauszukommen aus dem Studio, den Gedanken Freiraum zu geben. Dann kommen die Ideen wieder von ganz alleine und du bist gleich wieder heiß darauf weiterzuarbeiten. Mir hilft es auch, wenn ich Geräusche oder allgemein Aufnahmen von Field Recordings abspiele oder sie am Computer in Teile zerlege. Plötzlich hast du da Material, das du in dieser Form niemals selbst komponiert hättest.

 

Was mir hilft, kreative Prozesse in Gang zu setzen, ist zum Beispiel Meditation oder aber ich leg mir Fotos oder Bilder auf den Tisch, die gar nichts mit dem zu tun haben, was ich gerade mache. Manchmal bekommst du dann eine ganz neue Perspektive und plötzlich klickt’s. 

Absolut! Was ich auch noch mache, sind Collagen. Es gibt Situationen, in denen ich mich nicht mehr auf Musik und Sounds konzentrieren kann. Den Geist dann zu entlasten und einfach was mit den Händen zu machen, hilft total. Kochen zum Beispiel auch. Am Kochen liebe ich, dass du das Essen vorbereitest und es dann isst. Das war’s. Kreativer Prozess vorbei. Musik dagegen läuft einfach immer weiter. 

 

Literatur in Form von Büchern hast du gerade selbst schon angesprochen. Ich hab eine Textzeile von dir mal mitgeschrieben: „And wriggle on, have a sing-along/Put some pickles on, and play the Mellotron?”. In deinem Wikipedia-Artikel steht, deine Texte seien oft Nonsens. Ich hab mich gefragt, ob du da manchmal auch bewusst etwas Mystisches reinpackst als Kontrast zu deinem ansonsten sehr natürlichen Ansatz in der Musik. 

Definitiv! Also im Fall von „Wriggle“ ist es tatsächlich Nonsens (lacht). Ich spiele oft auf dem Mellotron und da wir zu Hause unser Essen selbst fermentieren, setz ich eben auch Pickles an (meist Gemüse in Gewürzen und Essig eingelegt; Anm. d. Red.). An sich empfinde ich Nonsens aber als total befreiend. Ich lese auch total gern Nonsens-Poesie oder Absurde Literatur wie z.B. Lewis Carroll und Edward Lear. Auch die französischen Schriftsteller des Absurden Theaters. Ja, also von daher glaub ich schon, dass ein Großteil Nonsens ist, aber dadurch kann ich eben Bilder, Emotionen und Gedanken allgemein an die Hörer herantragen. Ich find’s aber interessant, dass du Mystizismus angesprochen hast. Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mehr damit und spiel auch damit in den Lyrics. Ich bin kein Schriftsteller oder Lyriker im klassischen Sinne, aber ich find’s einfach total interessant mit Sprache und ihrer Wirkung zu experimentieren. 

 

 

 

Und obwohl etwas Nonsens sein mag, kann es ja dennoch Vieles beim Zuhörer hervorrufen. 

Klar. Nonsens heißt ja nicht, dass es absolut sinnentleert ist. Es gibt Nonsens-Texte, in denen ich ziemlich viel Tiefe sehe. Es ist eben nicht einfach nur Quatsch, also bedeutungslos aneinandergereihte Soundschnipsel oder Worte. 

 

Und wenn du selbst schreibst: Hast du ‘ne Melodie im Kopf und ersetzt die Worte erstmal durch das klassische „Blabla“?

Ja, so läuft das eigentlich meistens ab. Weißt du, das ist alles ein ziemlich unterbewusster Prozess. Dinge über die ich nachgedacht hab, tauchen dann plötzlich in Form irgendwelcher Bilder wieder auf. Du läufst da also mit einer Idee herum und plötzlich kommen Worte dazu. Wenn die sich gut in dem Song anfühlen, dann dürfen sie bleiben. Ich bin meist stark auf den Rhythmus fokussiert und in den müssen sich die Worte einfügen.

 

Der Rhythmus in deinen Songs wird ja oft mitbestimmt durch Töne oder Geräusche, die du irgendwo aufgenommen hast. Gibt’s denn irgendwas, was du bisher noch nicht aufnehmen konntest, aber total gerne hättest?

Ja, da gibt’s viel. Ich bin immer auf der Jagd nach Aufnahmen von Tieren, die bereits ausgestorben sind. Das Problem ist, dass du zwar Listen von kürzlich ausgestorbenen Tieren findest, die Sound-Archive meistens so etwas aber nicht dokumentieren. Aber an sich find ich das total spannend. 

 

Lebt da ein kleiner Wissenschaftler in dir?

Auf jeden Fall. Mein Bruder und mein Vater sind ja beide Biologen. Ich bin also schon damit aufgewachsen. Und ich selbst hab ja auch Anthropologie studiert und viel über Biologie geschrieben. Dazu kommt, dass wir zu Hause ein Laboratorium haben. Da fermentieren wir unser Essen und auch Getränke. Ich seh mich da noch als Anfänger, aber das ist vielleicht auch noch so ein Fall von angewandter Wissenschaft. 

 

Vielen Dank, Cosmo. Aber noch eine letzte Frage: Stell dir vor, du kannst eine Weihnachtswunschliste machen: Mit wem würdest du gern zusammenarbeiten? 

Da gibt’s viele Ideen! Aber zunächst Mal werd ich auf jeden Fall noch mehr mit Cassia arbeiten (Cassia ist der Vorname der Künstlerin Bunty. Sie tritt aufs Cosmos Deutschlandtour im Vorprogramm auf; Anm. d. Red.). Sie singt ja auch schon bei „Mind of Rocks“ mit (Song auf Cosmos erster LP; Anm. d. Red.). Generell würd ich gern mehr mit Chören und Orchestern zusammenarbeiten. Und Hip Hop. Da würde ich auch gern mehr entdecken. Außerdem spiel ich ja noch in der Band „Gentle Mystics“. Die ist irgendwie gerade im Winterschlaf, aber ich hoffe, wir kriegen das Album fertig. 

 

Arbeitest du noch mit Johnny Flynn zusammen?

Ja, wir waren neulich mal ein paar Tage im Studio und haben einfach nur Sachen ausprobiert. Er geht halt nicht oft mit Band auf Tour, aber ich mache total gerne mit ihm Musik. 

 

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